Retinale Venenverschlüsse
Definition und Ursachen
Venenverschlüsse entstehen durch eine wahrscheinlich sklerotisch bedingte Obstruktion der Zentralvene (Zentralvenenverschluss) oder einen Venenastes (Venenastverschluss). Die häufigste Ursache des Verschlusses ist eine lokale Wandveränderung, an der sich ein thrombotischer Verschluss ausbildet. Eine Einschnürung der Zentralvene tritt insbesondere am Durchtritt durch die Lamina cribrosa auf. Bei Zentralvenenverschlüssen älterer Menschen nimmt man an, dass auch eine arterielle Durchblutungsstörung pathogenetisch beteiligt ist. Hoher Blutdruck und erhöhter Augeninnendruck (Offenwinkelglaukom, okuläre Hypertension) begünstigen das Auftreten von Venenverschlüssen. Veränderungen der Blutviskosität (z.B. Polyzythämie, erhöhter Hämatokritwert, erhöhter Antitthrombin-3-und Fibrinogen-Spiegel) könne ebenfalls einen Venenverschluss fördern.
Epidemiologie
Neben der diabetischen Retinopathie ist der Venenverschluss die wichtigste Gefäßerkrankung der Netzhaut. Ein Zentralvenenverschluss ist eine der häufigsten Erblindungsursachen des älteren Menschen. 90% der Betroffenen sind über 50 Jahre alt. Männer sind etwas häufiger befallen. Überwiegend wird nur ein Auge betroffen, nur 7% der Patienten entwickeln auch am anderen Auge innerhalb von zwei Jahren einen Zentralvenenverschluss.
Symptome
Beim Zentralvenenverschluss empfindet der Patient einen „Schleier vor dem Auge“ mit mäßiger bis hochgradiger Sehstörung. Da meist das andere Auge eine gute Sehschärfe hat, bemerken relativ viele ältere Patienten das Ereignis nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt. Manchmal wird der Patient erst durch das schmerzhafte Sekundärglaukom auf die Erkrankung aufmerksam.
Erkrankungsformen, Befunde
Zentralvenenverschluss
Bei der Ophthalmoskopie sieht man die Venen prall gefüllt und stark geschlängelt. Das Vollbild des Zentralvenenverschlusses zeigt streifige düsterrote Blutungen über den gesamten Fundus, die radiär um die Papille und bogenförmig um die Makula verlaufen. Papille und Makula sind ödematös geschwollen. Bei der ischämischen Form des Zentralvenenverschlusses entstehen „Cotton-Wool“-Flecken als Zeichen von Nervenfaserinfarkten. In der Fluoreszenzangiographie sieht man nichtperfundierte Netzhautareale und einen kräftigen Farbstoffaustritt aus den Venenwänden. Venöse Durchblutungsstörungen bei jüngeren Personen lassen sich ätiologisch nicht immer klären, Nikotinabusus und die Einnahme höherer Östrogendosen werden vermutet. Ach eine vaskulitische Ursache wird diskutiert (Papillophlebitis).
Venenastverschluss
Hierbei ist nur ein Ast einer Netzhautvene betroffen. Der Verschluss tritt häufig an Kreuzungsstellen zwischen Arterien und Venen in der Netzhaut auf, wo es offensichtlich zu Turbulenzen der venösen Blutströmung kommt.
Therapie
Ziel der Behandlung ist es, eine frühzeitige Reperfusion der Netzhauvenen und Netzhautkapillaren zu erreichen und Gefäßproliferationen zu vermeiden, sowie das Ödem der Makula zu reduzieren.
Die Basis der Behandlung heute ist die wiederholte Gabe von anti-VEGF Medikamenten (Avastin, Lucentis, Eylea, Steroide) in das Auge. Hierdurch wird das Ödem der Netzhautmitte reduziert, wodurch es zu einem Visusanstieg kommen kann. Auch die weitere Entwicklung von Proliferationen kann dadurch verhindert werden.
Laserkoagulation
Die ischämische Form des Zentralvenenverschlusses muss mit einer panretinalen Laserkoagulation (Technik siehe diabetische Retinopathie) behandelt werden, sobald die Zwischenräume zwischen den Blutungen eine solche Behandlung erlauben (meist nach einigen Wochen).
Ausschaltung von Risikofaktoren
Hoher Blutdruck und Diabetes mellitus sind prädisponierende Faktoren. Erhöhter Augeninnendruck muss bei Venenverschlüssen als Risikofaktor betrachtet und abgesenkt werden. Ein hoher Hämatokrit und Störungen der Blutviskosität spielen pathogenetsich eine Rolle.
Prognose
Beim Zentralvenenverschluss wird die Prognose des Sehvermögens durch das Makulaödem und die Neovaskularisation bestimmt. Für die Prognose ist deshalb wichtig, ob es sich um eine „ischämische“ Verlaufsform (Kapillaruntergänge, „Cotton-wool“-Flecke) oder eine „nichtischämische“ Verlaufsform handelt. Ähnlich wie bei der diabetischen Retinopathie entsteht die Gefäßproliferation bei der ischämischen Form entweder intraretinal oder an der Papille. Zusätzlich tritt häufig eine Rubeosis (Gefäßneubildung) an der Iris und im Kammerwinkel auf, wodurch sich ein neovaskuläres Sekundärglaukom entwickelt, an dem viele dieser Patienten später vollständig erblinden. In einem Drittel der Fälle bessert sich das Sehvermögen wieder, besonders wenn keine Ischämiezeichen vorlagen.